Wo fange ich an, wo höre ich auf – viele Fragen beschäftigten mich in den letzten vier Monaten. Hast du alles richtiggemacht? Haus und Firma verkauft ..
Freunde und Familie in der Heimat „zurückgelassen“ und ich (wir) dort draußen in der weiten Welt – wo so viele andere gerne wären. Mit dem getanen Schritt haben wir auch alle gewohnten persönlichen Sozialkontakte hinter uns gelassen – viele neue Bekannte und Freunde sind dafür hinzugekommen.
Aber so ein Schritt hat auch Herausforderungen – viele schreiben uns auf Facebook (dazu unten etwas mehr) „Das macht Ihr genau richtig“ oder „Das würde ich auch gerne tun“ – nur, was genau steckt dahinter? Ihr müsst wissen, es gibt auf Lesbos keine Campingplätze, das bedeutet wir stehen immer und überall autark, keine Toilette und fließend Wasser in der Nähe und auch kein Landstrom!
Ein Überblick über unser tägliches Leben:
- Wir wohnen auf 11m² – engster Raum und immer zusammen – Organisation ist angesagt (glücklicherweise fällt uns das als strukturierten Menschen ja leicht)
- Wir brauchen alle 2-3 Tage ca. 120 Liter Wasser – bedeutet: Suche dir einen Stellplatz, wo es in erreichbarer Nähe welches gibt (oft muss dieses händisch mit der Gießkanne besorgt werden).
- Alle 2-3 Tage sollte die Toilette geleert werden – mangels fehlender Kanalisation eine Herausforderung.
- Fahre nur Straßen, die du vorher mit dem Roller erkundet hast – denn mit einem Gespann von 11m Länge (inkl. Hänger) fährst du dich hier ruckzuck fest.
Wer uns kennt, weiß dass wir sehr kommunikativ sind – und das hat uns sehr vieles erleichtert, wenn du außerhalb der Touristen-Hotspots stehst, werden Ausländer hier trotz allem etwas beäugt. Fazit: Sei immer du der erste der grüßt und schon hast du das „Eis“ gebrochen.
Und das ist auch womit ich anfangen möchte – die Freundlichkeit der Griechen:
Wo immer wir auf der Insel unser Wohnmobil hingestellt haben – spätestens nach drei Tagen hatten wir in irgendeiner Form Kontakt zu den Einheimischen.
- Die Oma vom Haus nebenan, die uns auf Griechisch versucht hat zu sagen, dass das Erdbeben vom Juni so schrecklich gewesen war – die uns eine Harke vorbeigebracht hat, damit wir es vor unserem Wohnmobil schön sauber hatten.
- Der Busfahrer Nico (NicoLauda), der seinen Spitznahmen daher hatte, dass er wie Nicki Lauda über die Insel „gerast“ ist und diesen tatsächlich persönlich hier auf Lesbos kennenlernen durfte.
- Deutsche Aussteiger, die mit minimalsten Bedingungen hier ein Stück Land bewirtschaften und trotzdem zum Essen einluden oder Brot und Olivenöl verschenkten.
- Die älteren Herrschaften von Nebenan (egal wo wir auf der Insel standen), die uns Feigen, Birnen, Gemüse, Granatäpfel etc. vorbeibrachten.
- Der Tankwart mit seiner KfZ Werkstatt, der unseren Hänger sofort repariert hat, nachdem die Deichsel abgebrochen war.
Wir haben sie lieben gelernt, diese netten – zum Teil – einfachen Menschen hier auf der Insel.
Und was macht das mit mir (uns)?
Wir haben uns viel vorgenommen, Lesen (wir haben 50 kg Bücher dabei), Sport, Meditieren … ganz ehrlich? Ich habe die ersten Wochen überhaupt nichts gemacht – irgendwie war mir alles zu viel, ich hatte keine Lust auf meine Yoga-Übungen und Meditation, die ich in Deutschland so regelmäßig gemacht hatte. Ich hatte überhaupt zu gar nichts Lust … nichtsdestotrotz waren die Tage gefüllt mit Frühstücken, Einkaufen, etwas arbeiten (was ich die ersten Wochen noch relativ viel gemacht habe), WoMo putzen und wieder flottmachen, Essen gehen und sich mit Freunden treffen.
Ja, wir haben in der kurzen Zeit auch Freunde auf der Insel gewonnen, allerdings muss ich ehrlicherweise sagen, dass wir diese schon durch unsere Besucher in 2015 und 2016 kennengelernt haben. Aber es ist einfach schön, wenn:
- Sabine und Dirk (DiSa-Travel) uns zum Essen einladen oder kurz auf einen Cappuccino zu uns ans WoMo kommen – und denen wir doch tatsächliche ein Lokal zeigen konnten, dass sie noch nicht kannten.
- Petra, die mit dem Griechen Georgios verheiratet ist, und die unsere WhatsApp Kommunikation ist, wenn wir mal wieder beim Einkaufen etwas nicht verstehen.
- Toula, die wir nur flüchtig 2015 kennengelernt haben und die uns spontan in Petrà besucht hat, um meine Schwiegermutter kennen zu lernen.
- Und noch einige anderen, die ich jetzt nicht aufzählen möchte.
Freunde aus der alten Heimat kamen uns besuchen, erst Gunter, dann Yvonne (die Ihren Urlaub spontan von 2 auf 4 Wochen verlängert hatte), meine Tochter und meine Schwiegermutter.
Und irgendwie hatten wir das Gefühl, wir waren in diesen 4 Monaten nie ganz alleine. Jetzt ist die Sommersaison zu Ende – die Insel gehört den Einheimischen wieder und es ist absolut ruhig – wunderschön!
An dieser Stelle möchte ich kurz auf Facebook zu sprechen kommen..
..als digitale Nomaden können wir es uns nicht vorstellen, uns 100%ig von den Heimatkontakten zu trennen und daher sind wir ziemlich rege bei Facebook. Wir haben ca. 300 Bilder in diesen 4 Monaten gepostet und auch neue Kontakte mit anderen „Aussteigern“ bekommen.
Ich genieße auch die vielen positiven Posts, denn das Leben hält so vieles für uns bereit – ich will mich nicht mehr mit Dingen beschäftigen, die ich nicht ändern kann.
Wenn ich etwas ändern oder tun kann, dann mache ich das auch – und damit komme ich auf das Leid der Menschen, die auf dieser Insel gestrandet sind: Die Flüchtlinge aus aller Herren Länder. Es war vor 14 Tagen als ich den Post auf Facebook gelesen habe, ein kleiner NGO (Nicht staatliche Hilfsorganisation) schrieb, dass die Frauen in Moria Ihre Babys in Plastiktüten einpacken, weil Sie keine Windeln hätten! Hand aufs Herz – wer von uns möchte so etwas für seine Kinder erleben? Wir haben unser Spendenkonto gecheckt und für knapp 800 Euro Windeln gekauft und dort vorbeigebracht.
Mir ist klar, dass das nur ein Tropfen auf dem heißen Stein ist – bei ca. 250 Kindern im Windelalter hält diese Menge wenige Tage, denn viele Kinder haben Durchfall, da die Verhältnisse (Essen, Trinkwasser, Hygiene, Unterkunft etc.) katastrophal sind.
Ich könnte jetzt hier noch viel, viel mehr schreiben, von den Menschen die sagen: „Ich will sie hier nicht, sollen sie doch zurückgehen“ – aber ich will es nicht, es macht mich wütend angesichts der Hilfslosigkeit, der ich gegenüberstehe.
Wer von euch auch helfen möchte hat zwei Möglichkeiten:
- Du spendest etwas auf unser Spendenkonto
- Du kommt her und arbeitest in einem der vielen NGO’s als Volunteer
Und damit soll mein erster Rückblick auch zum Ende kommen, ich habe das erste Mal seit wir unterwegs sind das Gefühl zur Ruhe zu kommen.
Namasté Maren mit Ralf