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Nach Fes und über den mittleren Atlas

Von Barrage al Wahda nach Fes

Wir verlassen unseren Platz im Olivenhain und fahren weiter zu unserem nächsten Ziel: Fes. In diesem Landstrich wohnen die Menschen in Lehmhäusern, traditionell als Flachdach gebaut. Zu jedem Haus gehört ein Außen-Lehmofen, in dem die Frauen das typische große Fladenrot backen.

Die Gegend zwischen Stausee und Fes ist sehr grün, alte Olivenbäume stehen hier schon in Plantagen und viele neue Olivenplantagen sind gerade im Entstehen. In den Feldern stehen noch die alten, mit Muli betriebenen, Olivenmühlen – aber sie werden meist nicht mehr benutzt. In einigen Orten können wir hier hochmoderne Olivenmühlen sehen. Es ist Erntezeit, der Geruch der Olivenmaische liegt über vielen Dörfern, durch die wir fahren.

Und dann taucht Fes etwas unerwartet hinter dem nächsten Hügel auf. So groß ist die Stadt, ist aus dem Tal über die Höhen links und rechts inzwischen hinausgewachsen. Wir sehen die ersten „Hochhäuser“ seit wir in Marokko sind. Wir parken auf einem bewachten Parkplatz gleich neben dem Haupteingang zur Medina und laufen hinein in das Gewirr der berühmten 9000 Gassen.

Eng ist es hier, die Läden liegen dicht an dicht beieinander, oft besteht ein Geschäft nur aus einer kleinen Nische, wenige Quadratmeter groß. Wir empfinden die quirlige Medina als angenehm, es wird nicht so an uns gezerrt, wie wir es aus Istanbul kennen. Stehen und schauen entlockt beim Inhaber natürlich ein freundliches Salam und eine Einladung in den Laden zu kommen, aber ein ebenso freundliches Nein wird akzeptiert und wir können unbehelligt weiter gehen.

Manchmal schauen wir auch etwas intensiver, nicht jedes Mal haben wir eine Kaufabsicht, aber auch hier sind die Menschen immer freundlich, immer nett – wir fangen an uns in Marokko zu verlieben. Die Menschen sind so freundlich, überhaupt nicht aufdringlich oder unangenehm. Manchmal werden wir auch auf Deutsch angesprochen, und meist ist es nur, um die eigenen Sprachkenntnisse etwas aufzufrischen.

Im Quartier der Gerber werden wir von einem jungen Mann angesprochen, der uns einlädt, die Gerberei zu besichtigen. Es heißt, das Leder aus Marokko sei das Feinste der Welt, dass es aber noch bearbeitet wird, wie vor Jahrhunderten, hätten wir nicht erwartet. Später habe ich erfahren, dass die UNESCO die Produktion unterstützt, da es sich um ein erhaltenswertes Kulturgut handelt. Ein dreckiges und anstrengendes Geschäft ist es trotzdem.

Wir trinken einen Kaffee hoch über den Dächern der Medina, ohne Geländer oder Sicherung, also bitte nicht vom Dach fallen. Bevor wir den Rückweg antreten, lassen wir uns bei einem „Schlüsseldienst“ für Theo zwei Schlüssel nachmachen und dann kehren wir zu unserem Auto zurück, aber nicht bevor wir uns haben erklären lassen, wie wir hier wieder rauskommen, ohne einen Umweg zu laufen – denn Google hilft dir hier nicht, das Gassengewirr kann uns Maps gar nicht zeigen und wenn doch, stimmen Google und die wahre Standpunkt nicht überein.

Eigentlich wollten wir noch einen Tag länger in Fes bleiben, aber die Stadt erschlägt uns mit ihrer Größe und Medinas werden wir wohl noch einige zu sehen bekommen, da müssen wir jetzt kein zweites Mal hinein. Wir parken am zurzeit geschlossenen Campingplatz außerhalb der Stadt. Für 20 DIM schaut ein Wächter die ganze Nacht nach uns und den anderen dort parkenden Wohnmobilen.

Camping Diamant Vert
Google Standort Campingplatz

Von Fes über Bhalil und Sefrou nach Ifrane

Am nächsten Tag, beim Verlassen der Stadt, fahren wir durch das andere, das moderne Marokko. In der Peripherie von Fes stehen moderne Häuser, mit Mauern und Zutrittskontrolle gesichert. Hier sehen wir alle westlichen Autos, zum Teil topaktuell: Mini, Audi, Mercedes, Limousinen und SUVs. Auch die Mädchen und Frauen ändern sich. Wir sehen westlich gekleidete junge Frauen mit Hosen, High-Heels oder Stiefel, und dennoch das traditionelle Kopftuch tragend, neben Mädchen, die keines mehr tragen. Marokko befindet sich im Wandel, das ist ganz deutlich und vermutlich ist nur noch eine Frage der Zeit, bis das Kopftuch von der Straße komplett verschwindet.

Die kleine, ärmliche Siedlung Bhalil liegt nur wenige Kilometer südlich von Fes und ist an diesem Tag unsere erste Anlaufstation. Hier leben die Menschen zum Teil noch in Felsenwohnungen und wir möchten uns das gerne ansehen. Doch schon bei unserer Ankunft werden wir regelrecht „abgefangen“ und der Erste möchte uns die Wohnungen zeigen und uns zu einem Tee in sein Haus einladen. Auf meine Frage, was er denn gerne dafür haben möchte kam die Antwort: Du gibst was du möchtest.

Nein danke, daran haben wir kein Interesse, das endet meist mit Preisverhandlungen, oft mit überzogenen Preisvorstellungen und darauf haben wir absolut keine Lust. Und nur nach sehr energischem, mehrmaligem Nein sagen, konnten wir weiter zum Parkplatz fahren. Wir waren noch nicht mal richtig ausgestiegen und schon umringten uns vier weitere „Führer“ die uns Ihre Dienste anbieten wollten.

Diese sehr penetrante Art ist uns sauer aufgestoßen, denn seither konnten wir immer mit einem freundlichen Nein unbehelligt weiter gehen, hier war das leider nicht so. Auch in den Gassen des kleinen Ortes wurden wir noch mehrmals angesprochen, jedoch in Ruhe gelassen. Die Felsenwohnungen haben wir nur von außen gesehen, was wir aber nicht so schlimm fanden, hatten wir doch erst in Italien den Ort Matera besucht.

Nächste Anlaufstation ist Sefrou, die kleine Medina ist in die UNESCO Weltkulturerbe Liste aufgenommen worden, weil sie noch so altertümlich ist. Der Ort Sefrou hat sich um die Medina herum entwickelt und so fahren wir fast einmal um sie herum, bevor wir an einem leeren Grundstück unseren Theo parken können. Auf Nachfrage beim Polizisten, ob wir hier stehen können kam ein „For you it’s no problem to park here.“

Eine Besonderheit an dieser Medina ist der kleine Fluss, der sie in zwei fast gleich große Teile teilt. Aber als wir diesen Mittelpunkt erreichen sind wir etwas schockiert. Das tief eingeschnittene Flussbett ist an den Rändern von unten bis oben voll mit Müll und Unrat. Das ist etwas was ich noch nie verstanden habe, sie leben dort und schmeißen den Scheiß einfach in den Bach, den Fluss, das Meer oder hinters Haus. Unterhalb des Fleischmarktes haben wir frisch gegrillte Keftedes mit Kicherbsengemüse gegessen. Ganz klassisch ohne Besteck. Ralf war in seinem Element.

Aber unser heutiges Ziel, Ifrane liegt noch einige Kilometer weiter und so starten wir für die nächsten Tage gerüstet, nach einem kurzen Einkauf auf dem kleinen Markt neben unserem Parkplatz, mit frischen Lebensmitteln an Bord. Wir fahren auf einer guten, neu asphaltierten Straße, erst kommen wir an vielen Kalköfen, dann an Obstplantagen vorbei. Im Großen und Ganzen ist dieser Abschnitt recht eintönig.

Bei Annoceur biegen wir rechts weg und wieder ändert sich das Landschaftsbild, erst fahren wir durch Apfelplantagen und dann durch riesige aufgeforstete Kiefernwälder. Auch die Straße ändert sich hier, jetzt ist sie nur noch das Fragment einer Straße. Die Ränder links und rechts sind soweit ausgefranst, dass Theo gerade so noch auf ihr fahren kann. An einigen Stellen müssen wir auch in den Straßenrand, weil einfach nicht genug Asphalt vorhanden ist.

Plötzlich weitet sich die Gegend um uns herum, riesige Steineichen stehen hier jetzt überall und zwischen Ihnen tauchen Gebäude auf. Auf den ersten Blick sieht es wie Angkor Wat aus und bei genauerem hinsehen entpuppen sich die Gebäude als Felsformationen. Wir stehen mitten im „Valley of Rocks“. Spontan biegt Ralf rechts in einen Feldweg und fährt in die Richtung der Steine, die sich beim näher kommen schon fast als Felskanten herausstellen.

Wir laufen ein wenig durch diese Felsenlandschaft, fahren nochmal drum herum, um zu sehen, wie es auf der anderen Seite aussieht und entscheiden uns dann doch dafür, weiter nach Ifrane zu fahren. Jetzt sind wir mitten drin im Mittleren Atlas. Ifrane, von den Franzosen nach Europäischem Vorbild gebaut, gibt uns das Gefühl irgendwo in den Alpen zu sein. Links und rechts liegt noch etwas Schnee, aus den Cafés dröhnt aktuelle europäische Musik und die Leute sitzen draußen als wenn sie beim Aprés-Ski wären. Nicht umsonst wird hier auch von der „Marokkanischen Schweiz“ gesprochen.

Über Maren Huber

Mein Mann Ralf und ich haben im Juni 2017 unsere Firma verkauft und sind ins Wohnmobil gezogen. Erstes Ziel war die Insel Lesbos um eine Auszeit zu machen um dann die Europa und die Welt zu erkunden. Ich freue mich auf alle, die uns auf dieser spannende Reise begleiten.

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