Meine Begegnung mit Hamid, eine kleine Geschichte über Werte, Sinn und dem Leben in Marokko
Als wir auf den Parkplatz der heißen Quellen von Hammat Mulay Hachem fahren, sehe ich sie sitzen. Die Männer im Café, wie überall in Marokko. Eigentlich ist hier gerade mal gar nichts los, touristisch betrachtet so richtig tote Hose. Ein Badhaus, getrennt für Männlein und Weiblein, wurden um eine heiße Quelle gebaut und drumherum haben sich einige Cafés und eine Herberge gruppiert. Vorwiegend wird dieser Ort, welcher auf einer der Hauptverbindungsachsen zwischen Nord- und Südmarokko liegt, für eine Kaffeepause oder von den Marokkanern/innen der umliegenden Dörfern zum Baden genutzt. Jetzt im Winter verirren sich wenige Menschen hier her. Liegt das ganze Ensemble doch hinter dem Gebirge Hoher Atlas und nicht auf der dem Atlantik zugewandten Seite, dem geliebten Überwinterungsdomizil vieler Europäer.
Mir war spontan nach einem leckeren Minztee, fahren wir doch schon wieder seit einiger Zeit durch spektakuläre Landschaften, ja, Marokko zieht uns in seinen Bann. Und so rollt Opa Theo durch die Gassen der paar Häuser um, ganz deutsch, einen offiziellen Parkplatz zu finden. Kaum aus dem Führerhaus herausgehüpft, winkt und gestikuliert ein Mann auf Deutsch. „Sitzen her, trinken mit uns zusammen“ Hamidˋs erste Worte. Einem Impuls folgend, kurz mit Maren abgestimmt, nicken wir. Flugs werden ein Tisch und zwei Stühle dazugestellt und der dampfende Tee kommt in Rekordgeschwindigkeit. Die üblichen Floskeln werden ausgetauscht: Woher kommt ihr, wie lange bleibt ihr, Blabla. Ich habe stets große Freude an diesen lustigen Gesprächen, vor allem diesmal auf Deutsch. Sofort hat mich Hamid fasziniert, erklärt er uns doch, Deutsch nur aus Büchern und aus Langeweile in den Wintermonaten gelernt zu haben. Wow, das hat mich echt beeindruckt, er spricht so gut, ich kann das gar nicht richtig glauben.
Hamid ist Berber, kein Araber. Berber sind die ursprünglichen Bewohner Marokkos, die Araber kamen erst viel später, interessanterweise mit dem Islam im Gepäck, nach Marokko. Selbst wir Europäer erkennen leicht die Berber, haben diese einen sehr dunklen Teint. Hamid hat uns zu sich zum Essen eingeladen. Einfach so, wie ich das auch gern mache. Spontan jemand nett finden und einladen. Jetzt darf ich, laut seiner Aussage, einfach Ja oder Nein, sprich Zu- oder Absagen. Es sei ganz unverbindlich. „Marokko ist groß, egal wo du morgen bist, du nicht fahren hier und morgen da, das ist nicht Leben, hier spielt Leben“ und zeigt auf sich und seine Runde. Ich bin erstaunt über seine Worte.
Interessanterweise hat ein Familienmitglied nebenan ein Café. Sahid, von ihm werden wir auf einen kurzen Kaffee eingeladen. Prompt nutzen wir die Möglichkeit nachzufragen, wie denn so eine Einladung zu verstehen sei. Sahid hat schon einige Zeit in Deutschland gelebt. Scheint ja ein Nest zu sein, jeder Marokkaner spricht hier Deutsch.
Marens und meine Denke ist schon typisch dem deutschen Verhalten angepasst. Hier in Marokko haben wir schnell gelernt, wie es ist, ein paar Dirham am Tag für die Familie und sich verdienen zu müssen. Überall wird dir irgendetwas angeboten. Selbst eine Besichtigung für eine Höhlenwohnung mit einem Tee hätten wir „buchen“ können. Und das ist einfach überall so in Marokko. Somit ist es für uns schwierig zu erkennen, wer uns wirklich einladen oder eben Geld verdienen möchte. Tja, und nachdem wir nicht jeden Tag als Wildfremde zum Essen eingeladen werden, stehen wir dem Ganzen erst mal kurz kritisch gegenüber.
Doch was gibt es zu verlieren? Entweder wird mir mein Klischee bedient und ich zahle für ein Essen, oder, wer weiß?
Nun tuckern wir also, nach anregenden Gesprächen durch die Heimat von Hamid, der all seine Freunde vom Café auf seinem Nachhauseweg mitnimmt und auslädt, durch eine Landschaft, die uns ganz nebenbei den Atem raubt. So etwas habe ich noch nie gesehen. Eine Mischung aus Grand Canyon, Palmenoase und viiieeeel blauem Himmel. Eng und weit zugleich, und wie gesagt, touristisch recht unbefleckt. Wahnsinn, in Europa wäre das ein touristisches Highlight. Der Gorges du Ziz, das Ziz-Tal.
Nach einigen Stopps, unterwegs wird noch die halbe Nachbarsfamilie aufgegabelt und mitgenommen, stehen wir vor Hamids Haus. „Hier kannst du parken und über Nacht stehen bleiben“. Maren und ich schmunzeln, aha, der Aufenthalt endet nicht heute. Sein Land, welches er seit 11 Jahren besitzt, hat er mühselig von Hand zu einer blühenden und sprießenden Farm verwandelt. Jetzt im Winter ist hier auf 1400 Meter Höhe nicht viel davon zu sehen, doch es sind viele Bäume auf dem Platz. Aprikosen, Kirschen, Feigen, Granatäpfel, Oliven und vieles, vieles mehr. All die Steine, und es sind viele Steine, die neben den Feldern liegen, musste er beiseite schaffen, um die Gärten anzulegen. Sein Haus ist ein klassisches Berberhaus, wie sie eben seit Jahrhunderten gebaut werden. Aus Lehm, Schilfrohr, kleinen Steinen und Stroh, das Flachdach aus Holz und alles von außen mit einem Gemisch aus Lehm, Dreck und erneut Stroh verputzt, hart wie Beton. Im Sommer hält es kühl, im Winter wird es nicht soooo kalt. Doch eine Heizung gibt es nicht, denn Schnee hat Hamid hier im Dorf erst drei Mal gesehen.
Aber ich spüre schnell, es ist auf Dauer schon kühl im Januar in Marokko, in Hamids Haus.
Wir lernen seine Frau Cano kennen. Es duftet lecker im Haus. Couscous soll es geben und das kocht eine Berbersfrau frisch, nicht wie wir es kennen aus dem Päckchen, sondern richtig frisch, und das dauert seine Zeit. Wir nutzen diese Zeit und Hamid verfrachtet uns in sein klappriges Auto und zeigt uns seine Umgebung. Zum Beispiel die verlassene Kasbah, in der früher alle Familien gemeinsam wohnten. Sieht aus, wie eine kleine Burg. Zwei Tore, vorne der Haupteingang, täglich wechselte der Wächter von Familie zu Familie, und hinten ein kleines Tor mit Blick zum Fluß. Die meisten Kasbahs verfallen langsam, kümmert sich einfach niemand um diese über 300 Jahre alte Gemäuer. Die Menschen haben Wichtigeres zu tun und der Staat hat für solche Dinge kein Geld. Erstaunlich in welch gutem Zustand diese Wohnanlage noch ist. Hamids Haus ist gleich gebaut.
Nach einigen interessanten Erklärungen flitzen wir wieder zurück, kaufen unterwegs noch Knabbernüsse (er zahlt), lauschen seinen Geschichten und freuen uns auf das gemeinsame Mahl.
Tisch und Stühle gibt es im Zweizimmer-Haus nicht. Gesessen wird auf dem Boden oder auf so Art Matratzen, wenn ich es mir genau überlege, werden Cano und Hamid genau darauf später schlafen, hier, wo wir jetzt zusammen speisen. Ich schaue Cano noch ein bisschen über die Schulter und los geht’s. Mein erstes marokkanisches Mahl ist das typische Sonntagsessen Marokkos, Couscous mit Gemüse und ein bisschen Ziegenfleischeinlage. Seeeehhhr lecker… Wobei bei den Moslems der Sonntag unser Freitag ist, nur der Vollständigkeit halber erklärt.
Die Gespräche mit Hamid sind sehr kurzweilig. All unsere Fragen erklärt er sehr verständlich. Nur Politik wird nicht angeschnitten. Probleme haben sie genug die Marokkaner, Politik und König werden bei Hamid vor dem Haus gelassen…gut so!
Er erzählt uns von den Marokkanern, die im Ausland ihr Glück versuchten und auch dort nicht glücklich wurden. Er erklärt mir, dass wenn du in Marokko dein Glück nicht findest, du es auch in Europa nicht finden wirst. Mir kam dabei der Satz von Gunther Verleger, dem Inhaber von BNI Stuttgart, in den Sinn: „ s‘Wiesle scheint immer auf der anderen Seite des Zauns grüner und saftiger zu sein“. Recht haben damit wohl beide.
Auch Marens Frage, wie er so über die Runden komme, bzw. was er denn arbeiten würde, beantwortete er uns. Leben tut Hamid von dem, was er anpflanzt. Er verkauft im Sommer all die Früchte und das Gemüse, um irgendwie dann über den Winter zu kommen. Cano Familie hat noch Ziegen und im Familienkollektiv klappt das dann schon. Jeder hilft jedem. Wobei er sich schon ärgert, dass viele seiner Landsleute jammern und klagen und nicht, wie er, einfach den Spaten und damit ihr Leben in die Hand nehmen. Diese beschwerliche Arbeit kann ich mir kaum vorstellen. Es liegen wirklich viele und sehr große Steine rund ums Haus, aufgeschichtet als Mauer, rausgewuchtet aus den Feldern. Cano habe sich damals oft seiner rauen Hände beschwert….
Mir haben all die Gespräche mit Hamid erneut aufgezeigt, wie glücklich ich bin, seit ich verstanden habe, mit dem auszukommen, was mir zur Verfügung steht. Klar, würde er auch gern reisen, doch Hamid erklärte uns ganz trocken, dass es für ihn niemals möglich sei. Weder, dass er es sich finanziell leisten könne, noch von amtlicher Seite jemals genehmigt bekäme. Er fügt sich in seine Rolle ein und strahlt. Raucht abends sein Tütchen und hört Radio. Übrigens am öffentlichen Stromnetz ist das Haus nicht angeschlossen. Ein Solarpanel lädt die einfache Autobatterie für das bisschen Elektrische, und mit einer Stirnlampe kann man gut kochen, ich finde damit seine einfache Toilette und er führt uns nachts damit zu Opa Theo, unserem Haus, wohl beheizt bei Nacht, und mit viiieeel Luxus ausgestattet.
Jetzt freue ich mich auf den Tag morgen, hat Hamid doch einiges mit uns vor…was für eine Gastfreundlichkeit.
Toller Bericht!!
Gutemorgen Maren und Ralf was ein schöne text was ihr wieder hin gestelt had .
Was ein gute man und vrouw van Hamid und das Deuts gelernt aus den bucher
Finde ich sehr gut und auch was er sagt von sijn mede mensen im ausland das stimt genau su hause nicht elders auch nich ich wunsche euch noch viele schöne tage L G JAN
Danke Jan, wir lesen immer wieder gerne deine Kommentare
Ja, so kenne ich MAROKKO!
& sehr schön geschrieben