Von Azrou über die N13 nach Midelt
Die Fahrt nach Azrou ist unaufgeregt und schnell hinter uns gebracht. Wir sollten mal wieder etwas Wäsche waschen und den Theo durchputzen, so steuern wir den Campingplatz Amazigh an, um dort zwei Nächte zu bleiben. Oberhalb vom Campingplatz steht die angeblich größte marokkanische Zeder, diese hier ist zwar schon abgestorben aber auch alle anderen Zedern habe eine beachtliche Größe und ein Besuch lohnt sich schon deshalb, dementsprechend frequentiert ist es hier.
Und, obwohl wir mittlerweile wieder auf über 1600 Meter Höhe sind und es dementsprechend kalt ist, kommen neben europäischen Gästen auch sehr viele Marokkaner hier herauf, und so hat sich um die Riesenzedern herum inzwischen so Einiges angesiedelt. Kleine offene Restaurants und Cafés, das Reiten auf Pferden, ein Fossilienmarkt und die vielen Kinder, die Erdnüsse oder anderes zum Füttern der Affen verkaufen.
Die Berberaffen leben hier in den Wäldern wild, sind aber über die Jahre hinweg von den Besuchern angefüttert worden, so dass sie inzwischen eine kleine Attraktion sind, die jeder mal sehen und füttern möchte. Auch uns zieht es hier hinauf, aber im Gegensatz zu allen anderen laufen wir die 5 Kilometer hoch und werden von so manchen schräg angeschaut oder sogar angesprochen. Zu Fuß gehende Europäer sieht man hier wohl eher selten.
Und weiter geht’s – die Gegend auf unserem Weg nach Midelt wandelt sich wieder einmal. Weite Landschaften tun sich vor uns auf, wir sehen sehr viele Schafherden mit Ihren Schäfern. Wie die Tiere in dieser wüstenähnlichen Gegend überhaupt noch etwas zum Fressen finden, ist mir schleierhaft, aber es muss wohl ausreichend sein, denn die Tiere sehen alles andere als unterernährt aus. Der Hohe Atlas taucht jetzt schneebedeckt in der Ferne vor uns auf, aber darüber mache ich mir jetzt noch keine Gedanken.
Wir erreichen Timahdite und halten an, um einen Kaffee und ein verspätetes Frühstück zu uns zu nehmen. Irgendwie schlafen wir, seit wir in Marokko sind, jeden Morgen ziemlich lange. Oft geht die Sonne erst nach 9 Uhr auf, je nachdem wie der Theo steht, und vorher brauchst du hier auch gar nichts machen, außer vielleicht Auto fahren. Es ist morgens in 2000 Meter Höhe schon recht kühl.
Ich schaue auf die Straße und denk ich kuck nicht recht, läuft da ein kleiner Hundewelpe. Der war da gerade noch nicht. Mir ist, als wenn ihn jemand im Moment aus dem Auto geworfen hat. Neben mir steht ein junger Mann an seinem Auto und wartet auf seinen Freund, der sich gerade einen Kaffee holt. Auch er hat den kleinen Kerl entdeckt, geht über die Straße und nimmt ihn mit auf unsere Seite.
Es ist ihm deutlich anzusehen, dass er nicht weiß was er jetzt tun soll. Erst setz er ihn nur auf den Gehweg und streichelt ihn, was der kleine Kerl natürlich gleich mit einem Schwanzwedeln und ankuscheln beantwortet. Dann gibt er ihm etwas Wasser zum Trinken. Läuft weg, kommt wieder, streichelt den Kleinen wieder. Man sieht ihm an, dass er mich sich ringt. Schlussendlich nimmt er ihn doch mit zu sich ins Auto.
Ralf geht kurz zu ihm. Auch wenn sie keine gemeinsame Sprache sprechen, wird klar, dass Ralf sich bei dem jungen Mann bedankt, da er sich um den kleinen Kerl kümmert und der junge Mann gib mit Tränen in den Augen zu verstehen, dass er gar nicht anders kann, als zu helfen. Ich glaube diese Hundeseele hat einen wunderbaren Platz gefunden. Das ist dann das andere, das tierliebe Marokko.
Weiter auf unserem Weg, bieten links und rechts die Restaurants hier überall Forellen an, die Bäche müssen voll damit sein. Heute Morgen sind aber, obwohl wir es in der Sonne angenehm warm finden, viele Bäche und die Ränder der Flüsse leicht zugefroren. Mit Anfahrt auf Midelt bekommen wir auch den ersten Vorgeschmack auf die Wüste, nicht nur das uns das erste Mal seit wir das Rif Gebirge verlassen haben, mal wieder ein europäischer Wüstenfahrer entgegenkommt, sondern auch dass sich die Landschaft um uns herum ins wüstenähnliche wandelt.
Marokko ist bekannt für seine Fossilien und hier bei Midelt beginnt das Gebiet, in dem schon die Franzosen vor 100 Jahren begonnen hatten danach zu graben. In Aouli gibt es stillgelegte Minen und die Gegend drumherum ist auch heute noch eine beliebte Fundgrube für Sammler und Händler. Gerne wäre ich in das kleine Tal gefahren, um mir das anzusehen, aber die Straße ist nur für Fahrzeuge mit maximal VW Bus Größe geeignet und wir haben keine Lust auf ein Experiment, so groß ist die Neugier dann doch nicht.
Kurz vor Midelt fahren wir links in die Wüste und suchen uns einen Platz für die Nacht. Lange sitzen Ralf und ich auf einer kleinen Erhöhung und schauen in das Panorama um uns herum. Wir können uns gar nicht sattsehen, an den Farben und dieser so ganz anderen Vegetation um uns herum, wenn man denn überhaupt von Vegetation sprechen kann. Sobald die Sonne verschwindet wird es unangenehm kalt, nun ja es ist Winterzeit .. auch hier.
Kälte und Feuchtigkeit, beides Dinge, die der Theo so gar nicht mag, und so springt er am nächsten Morgen äußerst schlecht an. Ganz kurz sehe ich mich schon in die Stadt laufen um Starthilfe zu organisieren, da orgelt er ein letztes Mal und springt mit einer schwarzen Rauchwolke an.
Über Er Rich in den Gorges du Ziz
So sehr sich die Gegenden um uns herum ändern, so ändern sich auch die Orte und Städte. Mal arm, mal reich, mal dreckig, mal sauber. Midelt empfängt uns großstadtartig mit modernen Autohäusern von Dacia und Renault. An einem kleinen Eckcafé halten wir für einen Kaffee und ein Crêpe an. Das wir jetzt in das Gebiet der Berber und Nomaden kommen erkennen wir deutlich an den Gesichtern der Menschen hier. Sie sind um einiges dunkler als die bisherigen Marokkaner, die wir gesehen haben.
Weiter geht’s auf der N13 in Richtung Er-Rich, wir fühlen uns, als wenn wir auf einem amerikanischen Highway unterwegs sind. Mal durchfahren wir eine weite Ebene, keine Erhebung links und rechts und dann wieder durch Hügel und ausgewaschene Täler Wir bekommen einen weiteren Vorgeschmack auf die Wüste, die ersten Palmen, die erste Oase taucht auf.
Die Heilquellen von Hammat Mulay Hachem
Das wollen wir uns ansehen und so fahren wir durch die kleine Ansammlung von Häusern auf der Suche nach einem Parkplatz. Kaum abgebogen winkt schon der erste Parkwächter und möchte das wir bei ihm anhalten, aber wir wollen erstmal schauen, wollen uns nicht vom Erstbesten aufhalten lassen. Nicht überall benötigen wir einen Parkwächter und so werden wir nur wenige Meter weiter, am Ende der kurzen Straße, fündig.
Allerdings kommen wir nicht weit, denn schon nach wenigen Metern kommen wir an einem Lokal vorbei vor dem fünf Männer sitzen und zwei von Ihnen sprechen uns sofort auf Deutsch an. Wie diese Geschichte weiter geht, kannst du in unserem Bericht „Marokkanische Gastfreundschaft“ weiterlesen. Hier erzähle ich jetzt die Dinge, die in dem anderen Bericht nur kurz oder gar nicht erwähnt werden.
Nach Tajine und Tee hat uns Hamid zu den warmen Quellen geführt. Deshalb haben wir ja eigentlich hier angehalten, und diese liegen direkt am Rande des Flussbetts. Hier wurde einfach ein Kreis ausgehoben, indem sich das warme Wasser sammelt. Im Stundentakt wechseln sich Männer und Frauen ab darin zu baden. Als wir dort ankommen ist gerade Männerstunde, aus Anstand bleibe ich weiter hinten stehen, aber Hamid winkt mich her und obwohl gerade die Männer darin baden, soll ich herkommen und in das Wasser fassen, um die Temperatur zu fühlen.
Das gleiche wiederholt sich nochmal als er uns das Badhaus zeigt, das natürlich für Frauen und Männer getrennt ist. Ich fühle schon etwas seltsam dabei, in dem schlichten Raum mit dem Badebecken in meinen Kleidern und Wanderstiefeln zu stehen, während die Männer hier sitzen oder baden. Und damit haben wir alles gesehen, was die kleine Ansiedlung zu bieten hat.
Es ist Zeit mit Hamid zu seinem Zuhause in den Gorges du Ziz zu fahren, aber zuerst kommt noch eine kleine Herausforderung auf uns zu – der Tunnel der Legionäre – den die Franzosen hier vor einigen Jahrzehnten gegraben haben. Zum Glück habe ich das Schild mit der Höhenangabe nicht gesehen, welches 3,50m angezeigt hat. Opa Theo hat ja nun mal 3,60m in der Höhe und wir haben gerade so durchgepasst, vermutlich war noch genug Platz nach oben, ich habe es nicht nachgemessen.
Die Fahrt durch die Ziz Schlucht ist spektakulär, für meine Verhältnisse fährt Hamid viel zu schnell vor uns her. Ich hätte 20-mal anhalten können, um noch mehr Bilder zu schießen. Wir kommen aus dem Staunen nicht mehr heraus, es ist wie der Grand Canyon, nur dass wir unten fahren und nicht oben. Das letzte Stück selbstgebauter Weg war kurz eine kleine Herausforderung für uns, weil wir nicht wussten, ob Hamid bedacht hat, dass wir so groß sind – aber, um es vorweg zu nehmen, wir hatten an seinem Haus genug Platz, um umzudrehen.
Hamid lädt uns ein, noch eine alte Kasbah anzuschauen und so nutzen wir die Zeit, bevor die Sonne untergeht, um dorthin zu fahren. Die 300 Jahre alte Kasbah, die seit 50 Jahren verlassen ist, hat nur noch wenige vollständig erhaltene Räume und Häuser. Wie annährend alle Lehmbauten hier in Marokko ist sie dem Verfall preisgegeben, da es für die Menschen einfach zu aufwändig ist, diese nach jedem Regen auf ein Neues zu reparieren.
Er führt uns in ein zweistöckiges Haus und zeigt uns wie schmuckvoll die Decken hier früher bemalt waren und läuft dann mit uns durch das Gewirr der Gassen bis vor die „Stadtmaurer“ zu der alten Ölmühle in der noch das gut erhaltenen Mühlrad und der Baumstamm, mit dem der Trester früher gepresst wurde, zu sehen sind. Die Sonne verabschiedet sich langsam aus dem Tal und ist es Zeit für uns zurückzukehren um mit Hamid und seiner Frau Cano, Couscous zu essen.
Ein neuer Tag und eigentlich wollten wir weiterfahren, haben aber nicht die Rechnung mit Hamid gemacht, er hat uns schon komplett verplant – natürlich nur wenn wir wollen – natürlich. Und so fahren wir nur einen Ort weiter, um eine typische Olivenmühle zu besuchen, die es hier noch in fast jedem Ort gibt. Wenn man es nicht weiß, würde man an einer Mühle vorbeifahren, da die Arbeit hinter hohen Mauern erledigt wird.
Wir haben ein déjà vu, das Mühlrad ist komplett identisch wie das, welches wir gestern in der zerfallenen Kasbah gesehen haben, nur die Presse für den Oliventrester ist bereits moderner, hier finden schon zwei Metallstreben Verwendung zwischen denen die Pressplatte manuell nach unten gedrückt wird. Das steinerne Mühlrad wird von einem Muli gedreht, die Presse mit Muskelkraft bewegt.
Wir werden eingeladen das Öl zu probieren und ich nutze die Zeit, um mir von Hamid erklären zu lassen, wie genau das Öl produziert wird. Die Männer können meine Fragen nicht mit Kilos oder Stunden beantworten und so höre ich, dass die Menge Oliven die vor mir auf einer Plane liegt einen Arbeitsgang darstellen. Diese Menge kommt in die Olivenmühle und das Muli läuft circa einen halben Tag, bis die Olivenmaische fertig zur Weiterverarbeitung ist.
Jetzt wird der Trester auf Matten verteilt, die dann aufeinandergeschichtet in der Presse stehen. Peu à peu wird die Olivenmasse durch die Männer über einen ganzen Tag verteilt immer weiter zusammengepresst. Am Ende des Tages haben sie in etwa 100 Kilo Öl erzeugt. Die Oliven werden von den Männern nicht angekauft, dies ist ein Lohnölmüle, d.h. der Kunde bringt seine Oliven und erhält dann aus diesen sein Öl.
Die Bezahlung erfolgt mit Öl, dass die Olivenpresser einbehalten. Von jedem Pressvorgang sind das etwa 10%, welches sie dann meist auf Märkten verkaufen. Wir kaufen fünf Liter für 250 DIM, das sind umgerechnet ca. 5 Euro pro Liter. Frischer und gesünder als dieses Öl, werden wir so schnell keines mehr bekommen.
Zurück bei Hamids Haus, sehe ich sie schon von weitem springen. Die Schule ist aus und alle Schüler, vorneweg die Mädchen, stürmen in Richtung uns Exoten. Es dauert ein paar Augenblicke und wir sind umringt von allen Mädchen dieser Schulklasse. Bonjour, bonjour, bonjour, je suis .., ca va.., oh .. Fotografien .. wir sprechen ja kein Franzözisch und so kommt eben kein Gespräch zu Gange. Als Hamid von weitem nach uns ruft, springt die ganze Gruppe erschrocken zur Seite, hier herrscht Respekt vor den Älteren.
Es soll Fisch geben heute Abend und so fährt Hamid nochmal mit uns los zum großen Stausee, der am Ende der Ziz Schlucht aufgestaut worden ist. Der Fischer ist gerade auf dem See und so warten wir bis er endlich an Land kommt und uns seinen Fang zur Auswahl präsentiert. Wir entscheiden uns für einen Karpfen (10 DIM / Stück) und einer Brasse (50 DIM / Kilo). Für beide zusammen bezahlten wir dann 80 DIM, allerdings war die Brasse weit schwerer als 1,5 Kilo .. aber das mit dem Rechnen wird hier nicht so genau genommen. So verbringen wir einen zweiten Abend in Hamids Haus, mit dieser lecker zubereiteten Brasse.
Und wenn du oben unseren Artikel zu Hamid noch nicht gelesen hast, gleich hier im Anschluss findest du Ralfs Bericht zu Hamids Marokkanischer Gastfreundschaft.